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13.06.2023

Diese Bombe war keine Routine

Ein Feuerwehrmann sitzt an eiooner Spritze, miot der Sand befeuchtet wird.
Die Bombe liegt in einem fünf Meter tiefen Loch. Dieses wird mit Sand bedeckt und per Feuerwehrspritze befeuchtet. Foto: Berufsfeuerwehr

Fund einer Fliegerbombe aus dem Weltkrieg, Planung der Entschärfung, Evakuierung eines Stadtteils – eigentlich haben die Menschen in Trier, Feuerwehren und Rettungskräfte mit so einem Vorfall schon eine gewisse Routine. Bei der Bombe, die vorletzten Freitag in Olewig auftauchte, war aber alles anders.

Als die Feuerwehr am Freitagmittag zum Fund einer Fliegerbombe auf einer privaten Baustelle in Olewig, Auf der Hill, gerufen wird, ist die Lage zunächst noch entspannt. Das Fundstück ist etwa 75 Zentimeter lang und gehört damit zu den kleineren Weltkriegsbomben. Der normale Weg bei solchen Funden: Der Kampfmittelräumdienst entschärft die Bombe an einem passenden Zeitpunkt, dazu wird eine Evakuierung geplant und die Bombe bis dahin abgesichert und bewacht. Rettungskräfte wie auch die Bevölkerung haben eine gewisse Vorbereitungszeit.

Diesmal ist alles anders: Als Sven Rasehorn, Leiter des Kampfmittelräumdienstes Rheinland-Pfalz, um 13.30 Uhr die Bombe in Augenschein nimmt, ist plötzlich klar: höchste Gefahr. Die Bombe hat einen defekten Säurezünder. Sie kann nicht entschärft, sondern muss vor Ort gesprengt werden. Und zwar so schnell wie möglich. Im Umkreis von 1000 Metern müssen die Bürgerinnen und Bürger ihre Häuser verlassen – sofort. Dort leben etwa 5400 Menschen. Eine unglaubliche Herausforderung für Polizei und Feuerwehr. Eine „Großlage". Sämtliche Einsatzkräfte aus Trier werden alarmiert, Kräfte aus dem Umland zur Verstärkung. Polizei und Feuerwehrleute klappern die Häuser ab, fordern die Menschen auf, diese sofort zu verlassen, riegeln nach und nach das ganze Gebiet ab.

Über die Warnapps Nina und Katwarn und über das Cell-Broadcast- System des Bundes werden Warnmeldungen verschickt, die Stadtverwaltung nimmt ein Bürgertelefon in Betrieb, bei dem im Laufe des Abends über 1200 Anrufe eingehen. Parallel bauen die Kräfte in der Messeparkhalle eine Versorgung auf für Evakuierte, die keinen Unterschlupf bei Freunden oder Verwandten finden. Fast 300 Menschen werden dort im Laufe des Abends betreut – viel mehr als sonst bei solchen Einsätzen.

Große Herausforderung auch: 40 Menschen im Gebiet sind Kranke oder Alte, die von Rettungskräften transportiert werden müssen, elf davon sogar liegend. Immer wieder verzögern Menschen, die das Gebiet nicht verlassen haben oder wieder hineinlaufen, die Abläufe. Um 20.17 Uhr schließlich ist das Gebiet frei von Menschen, bis auf den Kampfmittelräumdienst. Die Experten haben bereits ein fünf Meter tiefes Loch auf der Baustelle gegraben, in das sie nun mit äußerster Vorsicht die Bombe hineinlegen. Dann werden zehn Lkw-Ladungen Sand auf die Bombe geschüttet, der parallel von der Berufsfeuerwehr benässt wird – um den Druck der Sprengung abzufedern.

Um 22.37 Uhr löst dann der Leiter des Kampfmittelräumdienstes RLP, Sven Rasehorn, per Fernzündung aus 300 Metern Entfernung die unterirdische Sprengung aus. Ein dumpfer Knall – und aus den insgesamt acht Metern Sand über der Bombe wird ein in den Boden reichender Trichter. Keine Zerstörungen, Erleichterung bei den Einsatzkräften. Doch der Kampfmittelräumdienst muss auf Nummer sicher gehen, ehe er das Evakuierungsgebiet freigibt, denn die Experten wollen ausschließen, dass nur die angebrachte Sprengladung hochgegangen ist – und die Bombe immer noch scharf.

Schaufel für Schaufel wird der Sand wieder ausgebaggert und sondiert – bis endlich um 00.05 Uhr erste Stücke der gefährlichen Bombe gefunden werden. Die Olewiger dürfen zurück in ihre Häuser und Wohnungen. Oberbürgermeister Wolfram Leibe, Dezernent Ralf Britten und Feuerwehrchef Andreas Kirchartz danken den Menschen für ihre Geduld – und den 550 Einsatzkräften für die professionelle Arbeit.

Im Einsatz waren: Rund 550 Kräfte, darunter etwa 60 von der Berufsfeuerwehr Trier, 100 von sämtlichen Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Trier und vom THW unterstützt von 30 Kräften der Freiwilligen Feuerwehren aus der Verbandsgemeinde Ruwer, 50 von weiteren städtischen Ämtern wie Ordnungsamt, Presseamt, Servicecenter und von den Stadtwerken, über 100 Kräfte der Polizei, sowie 180 Kräfte der Schnelleinsatzgruppen (SEG) von DRK, Malteser Hilfsdienst und Arbeiter-Samariterbund aus der Stadt und den Landkreisen Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Bitburg-Prüm.

Michael Schmitz