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09.07.2019

„Theater für die Menschen machen“

Intendant Manfred Langner blickt auf seine erste Spielzeit zurück

Intendant Manfred Langner. Foto: Marco Piecuch
Intendant Manfred Langner machte in jungen Jahren etwas, was so gar nichts mit den Brettern, die die Welt bedeuten, zu tun hatte: eine Ausbildung zum Steuerinspektor. Foto: Marco Piecuch
Für den Intendanten des Trierer Theaters Manfred Langner geht gerade seine erste Spielzeit zu Ende. Langner, der das krisengeschüttelte Haus nach der schrillen Intendanz von Karl Sibelius von einem mehrköpfigen Leitungsteam übernahm, erklärt im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ), wie er versucht, die Leute wieder zurück ins Theater zu holen und wie viele Stunden ein Tag im Leben des Trierer Theater-Intendanten hat.

RaZ: Herr Langner, wie nervös waren Sie, als Sie beim Bistum nachgefragt haben, ob Sie im Hof des Bischöflichen Priesterseminars das satirische Musical „Spamalot" aufführen dürfen – basiert es doch auf einem Film der britischen Komikertruppe Monty Python, von denen auch der „religionskritische" Film „Das Leben des Brian" stammt?

Manfred Langner: (lacht) Ich hatte tatsächlich ein paar Bedenken, aber wir wurden sehr herzlich aufgenommen. Wir wollten ja nichts Blasphemisches machen. Ich finde, es zeigt, wie tolerant die Kirche auch sein kann. Dass das alles mitgemacht wurde, fand ich großartig und hat mir gezeigt, dass die katholische Kirche auch so sein kann.

Die Spielzeit ist gerade zu Ende gegangen. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Ich bin sehr zufrieden. Und zwar, weil wir das, was wir uns gemeinsam vorgenommen, auch erfüllt haben. Ich wollte eine bessere Stimmung ins Haus bringen, mehr Menschen fürs Theater interessieren, eine Freilichtveranstaltung machen und mit der Sanierung weiterkommen. Das waren Ziele, die ich mir gesteckt hatte und dass wir die alle erreicht haben, macht mich schon sehr froh.

Und wie sieht es mit den Zahlen aus?

Wir haben kürzlich die 100.000 Besucher-Marke geknackt. Die Gesamtauslastung lag bei über 80 Prozent. Zu den erfolgreichsten Produktionen gehören „Blue Jeans", „Piaf", „Madama Butterfly", „Politisch korrekt", „Sechs Tanzstunden in sechs Wochen" und „Zorbas". Die genauen Zahlen geben wir Mitte August bekannt.

Was waren für Sie die Highlights dieser Spielzeit?

„Dido und Aeneas" fand ich großartig, vor allem auch wegen der Technik und des Bühnenbilds. „Dornröschen" war eine meiner Lieblingsproduktionen. In der Oper gehörte „Don Giovanni" zu meinen Favoriten. Im Schauspiel war ich sehr traurig, als die letzte Aufführung von „Blue Jeans" gespielt wurde. Das Stück hat mich über 25 Jahre begleitet, ich habe es damals gesehen und dann immer wieder produziert. Das war eine wichtige Produktion in meinem Theaterleben.

In der Spielzeit 2017/18 wurden rund 92.000 Tickets verkauft, in der davor knapp 86.000. Mit jetzt 100.000 Zuschauern ist es Ihnen also offenbar gelungen, die Leute wieder zurück in das Haus zu holen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Naja, sicherlich an vielem. Wir zeigen als komplettes Haus, dass wir Theater für die Menschen machen. Wir gehen auf die Menschen zu und laden sie ein, ins Theater zu kommen. Das ganze Haus strahlt aus „Wir sind für euch da, wir sind das Theater für Trier und die Region". Die Menschen spüren, dass hier keine Leute am Werk sind, die nur Theater für sich machen oder sich selbst in den Vordergrund stellen. Wir wollen unseren Zuschauern spannende, tolle und aufregende Abende bereiten, wir wollen sie berühren und herausfordern. Wir sind publikumsorientiert und ziehen uns nicht in einen Elfenbeinturm zurück. Ich werde auch auf der Straße oft angesprochen. Dieser direkte Austausch macht mir immer viel Freude.

Als Sie Ihre Intendanz antraten, lag einiges im Argen im Theater Trier: miese Besucherbilanz, Budget weit überschritten und die Sanierungsfrage war nicht geklärt. Rückwirkend betrachtet: Wir groß war die Herausforderung, die Sie zu meistern hatten und immer noch haben?

Die Herausforderung ist schon groß, das war ja auch ein Grund, warum ich mich für die Intendanz interessiert habe. Ich habe mich über das geärgert, was in den Vorjahren im Haus passiert ist. So darf Theater nicht stehenbleiben. Es hat mich einfach gefuchst, deshalb wollte ich gucken, ob das nicht anders geht. Als ich das Haus im Frühjahr 2017 kennenlernte, wurde es von einem siebenköpfigen Gremium geführt. Sie gaben alle ihr Bestes, aber wollten vielleicht nicht alle dasselbe. Ein kleiner Aufschwung war dann in der folgenden Saison schon spürbar, mir wurde von den Kollegen eine gute Basis gebaut. Trotzdem haben wir am Anfang erstmal einen Neustart gehabt.

Und Sie mussten einen Spielplan erstellen, der die Leute wieder zurück an den Augustinerhof bringt…

Ja sicher, ein Spielplan der einlädt und niedrigschwellig ist, was ich überhaupt nicht negativ meine. Wir mussten und müssen bei den Zuschauern erst wieder Vertrauen gewinnen und können dann wieder wagemutiger sein. Wir wollen stets sehr niveauvolles und qualitativ gutes Theater machen, gleichzeitig müssen wir die Leute erstmal abholen und ins Theater bringen.

Neben der konzeptionellen Arbeit als Intendant inszenieren Sie ja auch noch selbst – wie viele Stunden hat denn Ihr Tag?

Meine Frau beklagt sich immer, ich würde zu wenig schlafen, das stimmt. Es war ein intensives, hartes Jahr – der Tag hört häufig auch nach 16 Stunden nicht auf. Ich hoffe, dass es sich in der nächsten Zeit ein wenig normalisiert. Aber im ersten Jahr und der Vorbereitungszeit, in der ich auch noch Stuttgart mitbetreut habe, war das schon intensiv. Wobei das Inszenieren das ist, was mich am wenigsten Zeit kostet. Da kann ich bei den Proben auch komplett abschalten und mich ganz auf das Stück einlassen. Alles andere hingegen kostet einen viel Zeit. Es gibt jeden Tag eine neue Wundertüte an Dingen, die mich erwartet.

Nach Jahren ist die Frage der Theatersanierung geklärt. Es gibt eine Sanierung im Bestand mit dem Bau einer Ersatzspielstätte an der Tufa. Wie stehen Sie zu diesem Plan?

Ich finde ihn sehr gut. Ganz wesentlich ist, dass wir einen realistischen, machbaren Plan haben. Es nützt ja überhaupt nichts, wenn man von Dingen träumt, die wünschenswert wären, aber nicht durchsetzbar sind. Mir geht es darum, dass wir einen Plan haben für ein saniertes Theater, das gut funktioniert, auch in den Abläufen. Die Interimsspielzeiten werden spannend, das wird eine Herausforderung in
einem neuen Raum an der Tufa. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass etwas passiert, denn irgendwann kann der Betrieb hier nicht mehr weiterlaufen, dann bleibt die Maschinerie stehen. Dann geht hier nichts mehr, und um das zu verhindern, müssen wir Gas geben und das Haus möglichst schnell sanieren.

Wie würden Sie das Trierer Publikum charakterisieren?

Ich finde das Trierer Publikum ganz toll. Es ist sehr offen, neugierig und herzlich. Und zwar von Beginn an – das war beispielsweise in Stuttgart anders, da hat es einige Jahre gedauert, bis ich eingemeindet war. Ich denke, die herzliche Trierer Mentalität hängt auch mit der Lage zusammen: Vom Rest Deutschlands etwas abgeschottet, aber dafür nach Frankreich, Luxemburg und Belgien offen und sehr europäisch. Deswegen sind die Trierer auch ein ganz eigenes Völkchen, das finde ich sehr sympathisch.

Wenn wir einmal in die kommende Spielzeit vorausblicken – auf was dürfen sich die Zuschauer besonders freuen?

Auf ein sehr vielfältiges Programm. Ich freue mich besonders auf „Ein Tanz auf dem Vulkan", eine Revue über Trier in den 1920er Jahren. Ich habe sie ursprünglich auf Stuttgart bezogen geschrieben und wollte wissen, was sich dort in dieser Zeit – bevor die Nazis an die Macht kamen – entwickelt hat. Ich schreibe das Stück für Trier neu und studiere gerade ohne Ende Trierer Heimatgeschichte. Aber auch „Rain Man" wird spannend, „Nathan der Weise" in der Kunstakademie und „Blackbird" im Studio. Toll wird auch die Oper „La Bohème" und die Ballettaufführung „Carmen & Bolero". Die Zuschauer erwarten also wieder vielfältige Formate.

Das Gespräch führte Björn Gutheil